Dienstag, 2. Dezember 2008

Gewalt

Maria ist aus Saudi Arabien nach 2 Jahren Aufenthalt zurück. Sie hat dort als Krankenschwester in Dschedda am Hospital des Scheichs gearbeitet und eine ansehnliche Summe Geld verdient und mit nach Hause gebracht. Wow! Na ja, die Araber zahlen tolle Gehälter und dort kannst du ja als Frau nirgends allein hingehen nichts ausgeben und somit hat sich schon was zusammen geläppert. Sagt sie.Sie verrät mir, dass sie gedenkt vorerst nicht zu arbeiten, sondern mit dem Geld und ihrem, aus tiefster Seele kommenden Engagement, Frauen zu helfen, die Opfer von Vergewaltigung wurden. Sie versucht mich zu überreden dabei mitzumachen und ist sehr erstaunt über meinen Mangel an Enthusiasmus und weiblicher Solidarität, oder was weiß ich, was sie noch so von mir erwartet hat. Ich weiß eigentlich auch nicht warum ich mich so zurück halte, wo Vergewaltigung doch tatsächlich 3 Mal zu meinen persönlichsten und einschneidensten Lebenserfahrungen zählt.Meine erste Vergewaltigungs-Erfahrung hatte ich, als ich drei war. Es war Krieg, Großmutter, Mutter und ich allein im Haus und Soldaten bei uns einquartiert. Eines Tages, meine Mama kuschelt sich zu mir auf den Diwan um mich in ein Mittagsschläfchen zu begleiten, da kommt der Major und vergewaltigt sie neben mir. Mutter hat sich kaum gewehrt, sie schubst und dreht mich, damit ich nur die Wand ansehen kann, einfach um mich nicht noch mehr zu verschrecken und bevor der sich dann noch über mich hermachen kann, versetzt sie ihm mit unvermuteter Kraft einen Tritt, stößt ihn vom Diwan, packt mich, springt auf und raus aus dem Zimmer.Ein paar Tage später werden alle Frauen im Dorf samt Kinder aufgefordert, sich im Gemeindeamt zu versammeln. Dort sitzen wir dann im Festsaal auf dem Fußboden, eine Frau nach der anderen wird in ein angrenzendes Zimmer gerufen und kommt nach einiger Zeit in erschreckend, desolatem Zustand wieder heraus. Als sie meine Mutter rufen, schreie ich und will sie festhalten - erstaunlicherweise konnte ich intuitiv die Situation mit jener auf dem Diwan verbinden - aber es nützt natürlich nichts, sie flüstert nur: „ Hasch, hasch, Mami kommt gleich wieder…“ und ich höre meine Mutter durch die geschlossenen Türe schreien und weinen, dazwischen klatschende Geräusche. Sie wurde geschlagen, geprügelt und von mehreren Soldaten vergewaltigt.Meine Mutter konnte diese Erlebnisse niemals wirklich verkraften und überwinden.Ich hingegen, habe damals unter anderem gelernt, bei Gefahr"nicht direkt hin zu sehen" - Bedrohung einfach nicht wirklich zur Kenntnis zu nehmen.Fortsetzung: Mit knapp 15 und verbringe ich meine Freizeit hauptsächlich in der Milchbar, wo es um 1,-Schilling ein Glas Milch, viele Jungs und Mädels und stundenlange Unterhaltung gibt. Von da kenne ich auch den Typ, der mich auf dem Heimweg von der Schule brutal festhält und mir befiehlt : „ Ich will dich, komm mit ins Stundenhotel, wenn du dich wehrst hacke ich dir die Beine ab“ und dabei auf seine Aktentasche zeigt, wo vermutlich seine Axt drin ist. Also gehe ich mit, ziehe mich selber aus, lege mich aufs Bett , er lässt seine Hosen runter, wirft sich auf mich und als er fertig ist, zieht er die Hosen wieder hoch, droht dass, wenn ich zu meiner Mutter was sage, er sie dann erschlagen und mir eben die Beine abhacken würde - und geht. Als ich sicher bin, dass er nicht wiederkommt, versperre ich die Tür, wasche mich in dem kleinen Waschbeckenin der Zimmerecke, die Starre löst sich und ich beginne zu zittern. Ich zittere so heftig, dass sich förmlich das vergangene Erlebnis aus mir raus schüttelt. Anschließend geht es mir besser und ich laufe nach Hause. Ich bin sehr zornig und in meinem Kopf wiederholt sich ununterbrochen der Satz; das wird mir nie wieder passieren – mir wird nie wieder einer Gewalt antun!Zu Hause erzähle ich meiner Mama was passiert ist, sie reagiert sehr gefasst, bittet mich aber sofort mit ihr zum Frauenarzt zu gehen um eventuelle Ansteckung oder Schwangerschaft zu unterbinden und das war auch in meinem Sinne. In der Arztpraxis waren die 15 Minuten Untersuchung wohl das Entwürdigendste und Demütigendste an diesem ganzen Erlebnis.Der Doktor gibt mir gnadenhalber Spritze und Antibiotika obwohl er mich für absolut verdorben, unzüchtig, aufreizend, und für `sowieso ganz allein selber schuld` hält.Wenn Trauma , dann Ärztetrauma!Meine Mutter sagt die ganze Zeit über nichts, studiert nur eifrig den Beipackzettel des Antibiotikums, stellt ganz ruhig Zwischenfragen und überwacht das Verabreichen der Spritze. Als alles zu ihrer Zufriedenheit geschehen war, sagt sie: “So, schweigen sie jetzt, es ist es genug! Sie mögen ein Doktor sein, aber sie sind kein Arzt! Sie haben keine Ahnung!“ und wir rauschen davon.Natürlich war ich über meine mutige und gelassene Mama glücklich und augenblicklich so gut wie geheilt.Es gibt noch eine Fortsetzung ? Ja, denn fast 3o Jahre später bin ich auf Visionssuche allein in Kitzbühel und komme spätabends von einem Fest nach Haus, da werde ich in meiner Küche überfallen. Der ist irre, wahnsinnig erregt und geil. Er brüllt irgendwas von teuren Klamotten und hungernden Kindern und mir wird er’s schon zeigen. Er geifert und sabbert und will mir die Kleider vom Leib reißen. Nur ist das leichter gesagt als getan, denn in Fetzen gerissen war meine schöne Seidenbluse und der Rock ja schnell, aber die Nähte der Ärmel, des Kragens und der Rockbund reissen natürlich nicht so leicht. Er fetzt und werkelt herum und ich helfe ihm insgeheim, indem ich langsam hinten den Zipp vom Rock aufmache. Ich stehe ganz unbeweglich und starr und habe zwei Gedanken; erstens fürchte ich, dass der ein scharfes Messer aus einer Schublade holen könnte, um die Nähte aufzuschneiden und dann könnte die Situation eskalieren, und der zweite Gedanke war, dass ich jetzt auf keinen Fall vergewaltigt werde – auf keinen Fall!! So etwas geschieht mir nie mehr!!Der Wahnsinnige wird immer wilder, Schaum steht auf seinen Lippen und der Geifer tropft auf mich und die Spucke spritzt herum, er schwitzt und stöhnt und da ist endlich auch die letzte Naht gerissen und ich steh da, blutüberströmt, denn die Nähte haben tief in mein Fleisch geschnitten, mit nacktem Oberkörper, in Strumpfhosen und Stöckelschuhen. Ich frage ihn, ob er die Schuhe auch will und während ich das Bein anwinkel, den Fuß langsam hebe und mit der Hand nach dem Absatz greife, erinnere ich mich plötzlich an eine witzige Episode, wo in einem Schuhgeschäft der Verkäufer vor seiner Kundin auf diesem komischen kleinen Schemel sitzt und verkündet: „Gnädige Frau, der Schuh passt ausgezeichnet!“ Die Kundin meint:“ Der Schuh passt nicht!“ Der Verkäufer: „Doch der passt!“ Die Dame: “Nein der passt nicht!“ der Verkäufer hartnäckig: “Ja, der passt doch!“ Da nimmt die Frau den Schuh und knallt heftig den Absatz auf den Kopf des Verkäufers und zischt: “Und er passt NICHT!“ Das unterdrückte Lachen von damals stieg auch jetzt tief aus meinem Bauch in mir hoch und landete in meinen Augen. Ob ich auch mit dem Absatz…..? Da macht der Mann einen Fehler, er schaut mir in die Augen und sieht diese unbändige Lachlust. Das verwirrt ihn, er schnappt nach meinen Haaren, erwischt den Pferdeschwanz und schlägt meinen Kopf donnernd viele Male an die Türe, so als ob er mein inneres Lachen herausschlagen könnte. Aber in diesem Augenblick entsteht Bewegung und ich erwache aus dieser Starre und weiß ganz genau, wie ich mich zu verteidigen habe, ich plane einen Tritt in sein Eingemachtes und ein paar Ohrfeigen und meine Wut kocht - doch plötzlich lässt er mich los, dreht sich um und verschwindet schluchzend.So wie ich bin falle ich auf die Küchenbank und schlafe traumlos und fest, bis mich am Morgen der Hund weckt.Okay,ich habe eine Gehirnerschütterung, mein Pferdeschwanz hängt nur mehr an wenigen Haaren, es gibt tiefe, brennende Schnittwunden und zahllose Hämatome am Oberkörper, aber ich bin richtig glücklich! Meine Befriedigung über – ja, über was eigentlich – über den Ausgang? Über mein Verhalten?Die Schmerzen vergehen, diese Wunden heilen, da braucht es keinen Doktor und kein blödes Gefrage, aber ich weiß, dass mir ab nun alle Türen offen stehen, denn der Beinahe-Vergewaltiger der vergangenen Nacht, war mein Ehemann, der so seinen letzten jämmerlichen Versuch startete, mich zu bewegen, ihn, seine Reputation und sein Geld nach 26 Ehejahren doch nicht zu verlassen.Schon erstaunlich, wie so ein Männerhirn funktioniert.