Dienstag, 2. Dezember 2008

Göttinnen der Provence

Die junge Göttin
Der Ort Saintes Marie de la Mer ist zu dieser Zeit ganz in Händen der Zigeuner, sie feiern Sarah ihre Schwarze Madonna, die damals mit Maria Magdalena und Maria, der Mutter Jesus an Land ging und die Cigans können feiern wie kaum ein Volk. Überall in den Lokalen in Bars, Gärten, am Parkplatz oder am Strand wie auf der Piazza vor der Kirche wilde Musik, Gesang und Tanz, Lebensfreude, Lebenslust ....Ich steh da und hör ihnen zu, da kommt über den Place Eglise - SIE!Von überall raunt es:“ Sie ist da!“ oder „Fatime ist gekommen!“ und die Leute strömen ihr nach und sie umarmt die Musikanten, sie lachen und herzen sich und Fatime hockt sich hin und singt einfach mit ihnen. Die Frau ist jung, dunkel, schön und strahlend, sie singt mit machtvoller Stimme und es wird einer dabei ganz anders, sie singt solo oder im Chor mit den Jungs, in Terzen und Quinten im crescendo und detachè was weiß ich, dann beginnt sie sich zu bewegen, erst mit den Fingern und Händen, dann tanzt und wirbelt der Körper, die Füße stampfen, die Hände klatschen rhythmisch, das Blut beginnt zu kochen - nix für schwache Nerven! Flamenco wie ihn nur Ciganos tanzen können! Ohne Atemnot wechselt sie wieder zum Gesang und ich vergesse, dass ich existiere, dass es außer dieser strahlend jungen feurigen Göttin noch etwas gibt, klatsche und stampfe mit den anderen im Rhythmus und es gibt keine Grenzen, keine Unterschiede, kein Anfang kein Ende, keine Gedanken..... Fatime und der Flamenco symbolisieren oder spiegeln für mich das Leben im Hier und Jetzt in seiner reinster Form.
Die Große Mutter!
Dann begegne ich Stephanie Audran. Die bildschöne und außergewöhnlich humorvolle und charmante Stephanie mit den gütigen Augen züchtet auf ihrer Farm in der Camargue Stiere. Hunderte Stiere auf zighundert Quadratkilometern Weideland. Stephanie sitzt im Sattel wie eine Amazone und bewegt sich wie eine Primaballerina, und ihr Pferd bewegt sich grad so, wenn sie mitten durch die Herde der wilden Stiere reitet um den einen oder anderen Stier für die Cocarda, den unblutigen provencalischen Stierkampf, auszusuchen und um ihn auszubilden. An ihrer Seite ein paar Gardians zur Unterstützung sonst nix. In der Hierarchie der 15 Stierzüchterfamilien, der „Manaden“, steht Stephanie an erster Stelle, sie ist die beste Züchterin mit den besten Tieren der Provence. Basta. Beim Glas Rotwein erzählt sie mir, dass sie sich nicht nur als Hüterin sondern auch sozusagen als die Mutter ihrer schwarzen Stiere, weißen Pferde, der sanften Hunde, der eigenwilligen Katzen und was sonst noch so herumviehchert, empfindet. Wenn ich ihr so bei ihrer Arbeit zusehe, wie die Frau, das zahme Pferd und der wilde Stier in harmonischer Symbiose und perfekter Magie verstehen was einer vom anderen erwartet, erfahre ich tief in mir eine Wirklichkeit des absoluten und wortlosen "übersinnlichen und übernatürlichen" Vertrauens.Sie trainiert die Stiere zu Siegern, denn Siegerstiere werden in der Gegend sehr verehrt und natürlich steigt auch Stephanies Prestige mit jedem Sieg ihres Stieres über den Razeteur, wie der Torero genannt wird. Und Prestige ist nötig, denn klappern gehört zum Handwerk und bringt Geld, denn die Farm verschlingt so einiges und sie mag es gar nicht, wenn sie ihre geliebten Stiere aus Geldmangel zur Schlachtbank führen muss.
Übrigens, die alten Tiere werden, wenn sie gestorben sind, aufrecht stehend und mit dem Kopf nach Westen auf eigenem Grund und Boden begraben.Die Begegnung mit dieser machtvollen Göttin ist mir ein Geschenk der besonderen Art. Tja, und dann ?
Die Weise Alte?
Verona- Hitze- Altstadtmenschengewühl- Mittagszeit- kleine Seitengasse vor dem Haus der angeblichen Romeo/Julia-Romanze - da steht plötzlich Eine und ist einfach nur präsent! Sie ist vermutlich groß, sichtlich schlank, bodenlang schwarz gekleidet, schwarzes Schultertuch, dickes schwarzes Kopftuch, Rücken so stark gekrümmt, sodass ihr Scheitel auf Höhe der Taille ist, im Gesicht eine übergroße lange, spitze Nase. Mit der linken Hand auf einen Stock gestützt, die rechte offen zum Empfang von Almosen der Vorbeiziehenden. Die Hexe aus dem Märchenbuch par exellence!Ich nähere mich total fasziniert und gerate sozusagen direkt in ihren Bannkreis und kann ihre Aura förmlich greifen, ihre Macht sehen und fühlen zugleich. Ich flüstere erregt:“ Sorella? Strega? “ Sie wendet ihr Gesicht so von unten herauf zu mir, grinst und zwinkert mir zu. Diese Frau ist mir doch tatsächlich zu mächtig, zu stark, es ist mir unmöglich stehen zu bleiben, ich muss weg, ob ich will oder nicht, muss geradezu flüchten und spüre noch ihre Blicke in meinem Rücken als ich schon weit entfernt stehen bleibe. Aber, so wie auch bei Fatime und Stephanie, kann ich einen Teil ihrer Macht und Stärke als Erinnerung in mir bewahren und mit mir nehmen.Begegnungen mit ganz besonderen Menschen, oder mit der dreifachen Göttin?Keine dieser Persönlichkeiten wurde von mir fotografisch fest gehalten. Ich kann diese Form des Mächtigsein nicht in meinen PC verbannen und gefangen nehmen. Es geht nicht.